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Rückzahlungsverpflichtung bei Gratifikation mit Mischcharakter

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Es stellt keine unangemessene Benachteiligung eines Arbeitnehmers dar, wenn ihm angesonnen wird, eine Kündigungsmöglichkeit nach dem Abrechnungsstichtag auszulassen und er anderenfalls zur Rückzahlung einer freiwilligen Sonderzahlung verpflichtet wird. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine Sonderzahlung mit Mischcharakter handelt.

Bei der Sonderzahlung handelt es sich um eine Leistung mit Mischcharakter, die sowohl die vom Arbeitnehmer im abgelaufenen Geschäftsjahr erbrachten Arbeitsleistungen vergüten als auch die erwartete Betriebstreue entlohnen soll.

In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war in Bezug auf derartige Leistungen mit Mischcharakter bislang anerkannt, dass die Zahlung davon abhängig gemacht werden darf, dass das Arbeitsverhältnis am Auszahlungstag überhaupt noch oder noch ungekündigt besteht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war es auch grundsätzlich möglich, dass der Arbeitgeber den Anspruch auf eine freiwillige Sonderzahlung daran knüpfte, dass das Arbeitsverhältnis über den Auszahlungszeitpunkt hinaus innerhalb eines bestimmten Zeitraumes fortbestand, wobei für die zulässige Bindungsdauer die Höhe der Sonderzahlung maßgeblich war. Eine Sonderzahlung könne ihren Zweck, künftige Betriebstreue zu belohnen und den Arbeitnehmer zu reger und engagierter Mitarbeit zu motivieren, bei bereits ausgeschiedenen oder alsbald ausscheidenden Arbeitnehmern nicht erfüllen. Ende das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer zulässigen Bindungsfrist, habe der Arbeitnehmer infolge des Fehlens einer Anspruchsvoraussetzung daher grundsätzlich keinen Anspruch auf die Sonderzahlung. Allerdings dürften mit Sonderzahlungen verbundene einzelvertragliche Bindungs- und Rückzahlungsklauseln einen Arbeitnehmer nicht in unzulässiger Weise in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) behindern und unterlägen insoweit einer Inhaltskontrolle durch die Arbeitsgerichte gemäß § 307 BGB. Nach den vom Bundesarbeitsgericht für Rückzahlungsklauseln entwickelten Grundsätzen hänge die Dauer der zulässigen Bindung von der Höhe der Sonderzahlung ab. Es müssten Grenzwerte eingehalten werden. Würden diese überschritten, sei anzunehmen, dass der Arbeitnehmer durch die vereinbarte Rückzahlung in unzulässiger Weise in seiner durch Art. 12 GG garantierten Berufsfreiheit behindert werde. In einem solchen Fall liege eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers i.S.v. § 307 BGB vor, die zur Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel führe. Eine am Jahresende gezahlte Zuwendung, die über € 100,00, aber unter einem Monatsbezug liege, könne den Arbeitnehmer bis zum 31.03.des Folgejahres binden. Nur wenn die Zuwendung einen Monatsbezug erreiche, sei eine Bindung des Arbeitnehmers über diesen Termin hinaus zulässig. Erhalte ein Arbeitnehmer eine Gratifikation, die ein zweifaches Monatsgehalt nicht erreiche, so könne er durch eine Rückzahlungsklausel jedenfalls dann nicht über den 30.06.des folgenden Jahres gebunden werden, wenn er bis dahin mehrere Kündigungsmöglichkeiten gehabt habe.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe wird der Arbeitnehmer durch die im Mitteilungsschreiben der Arbeitgeberin von März 2011 enthaltene Rückzahlungsklausel bezüglich der Sonderzahlung nicht unangemessen benachteiligt. Da die Parteien eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Vierteljahresschluss vereinbart hatten und die Rückzahlungsverpflichtung nur eintrat, wenn das Arbeitsverhältnis nicht bis mindestens sechs Monate nach dem Abrechnungsstichtag (15.04.2011) fortbestand, wurde dem Arbeitnehmer lediglich angesonnen, eine Kündigungsmöglichkeit auszulassen. Angesichts dessen, dass die Sonderzahlung die Höhe eines zweifachen Monatsgehalts des Arbeitnehmers deutlich überschritt, stellt dies keine unzulässige Bindung dar. Die Rückzahlungsverpflichtung ist auch lediglich daran geknüpft, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer veranlasst ist; bei einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung oder einer vom Arbeitgeber veranlassten arbeitnehmerseitigen Kündigung ist die Sonderzahlung nicht zurück zu zahlen.

Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in zwei Entscheidungen vom 18.01.2012 unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstelle, könne in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraums abhängig gemacht werden. Die vom Bundesarbeitsgericht jeweils zu beurteilenden Sachverhalte unterschieden sich jedoch deutlich vom vorliegenden Sachverhalt. In dem ersten der beiden vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Verfahren ging es um die Wirksamkeit einer Stichtagsklausel, die den Arbeitnehmer jeweils für drei Jahre an das Arbeitsverhältnis band, wollte er nicht die ihm kraft Vereinbarung in Aussicht gestellte Sonderzahlung verlieren. Eine derartig lange Bindungsdauer wäre schon nach bisheriger Rechtsprechung als unangemessene Benachteiligung zu beurteilen gewesen. Im zweiten der beiden Verfahren diente die vom Bundesarbeitsgericht zu beurteilende Weihnachtsgratifikation nicht der zusätzlichen Vergütung erbrachter Arbeitsleistungen; die maßgebliche Stichtagsklausel hielt das Bundesarbeitsgericht für zulässig. Von daher sind die beiden genannten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts für den vorliegenden Rechtsstreit nicht maßgeblich.

Sollten jedoch die beiden Entscheidungen vom 18.01.2012 so zu verstehen sein, dass das Bundesarbeitsgericht jegliche Stichtags- bzw. Rückzahlungsregelung in Bezug auf Sonderzahlungen mit Mischcharakter für unzulässig hält, folgt dem die erkennende Kammer nicht. In der Entscheidung zum Az. 10 AZR 667/10 führt das Bundesarbeitsgericht aus, es sei unangemessen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und widerspreche der gesetzlichen Wertung des § 611 BGB, vereinbartes Arbeitsentgelt dem Arbeitnehmer über eine Stichtagsklausel oder eine sonstige Zahlungsbedingung wieder zu entziehen, wenn der vorleistungsverpflichtete Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbracht habe. In der Entscheidung zum Az. 10 AZR 612/10 heißt es, die Stichtagsklausel stehe im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB, indem sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn entziehe. Aus Sicht der erkennenden Kammer wird jedoch in einem Fall wie dem vorliegend zu beurteilenden der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind (pacta sunt servanda), durch die Rückzahlungsklausel nicht verletzt. Ein arbeitsvertraglicher Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung bestand, wie vorstehend ausgeführt, nicht. Die für die von ihm zu erbringende Leistung vereinbarte Vergütung hat der Arbeitnehmer erhalten. Die Sonderzahlung ist auch nicht Teil des laufenden Arbeitsentgelts, hinsichtlich dessen ein Freiwilligkeitsvorbehalt unwirksam wäre. Nach § 611 BGB ist der Arbeitgeber als Dienstgeber zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Der Arbeitnehmer kann in dem als Dauerschuldverhältnis ausgestalteten Arbeitsverhältnis grundsätzlich auf die Beständigkeit der monatlich zugesagten Zahlung einer Vergütung, die nicht an besondere Voraussetzungen geknüpft ist, vertrauen. Er erbringt im Hinblick hierauf seine Arbeitsleistung und stellt auch sein Leben darauf ein. Behält sich der Arbeitgeber vor, monatlich neu über die Vergütung zu entscheiden, weicht dies von dem in § 611 BGB gekennzeichneten Wesen eines Arbeitsvertrags ab. Dies gilt nicht nur für die Grundvergütung, sondern auch für zusätzliche regelmäßige Zahlungen, die von den Parteien als Teil der Arbeitsvergütung und damit als unmittelbare Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer zu erbringende Arbeitsleistung vereinbart werden. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Der Arbeitnehmer konnte nicht darauf vertrauen, dass er über das vereinbarte Festgehalt und die zugesagte Tantieme hinaus weitere Zahlungen von der Arbeitgeberin als Gegenleistung für die von ihm erbrachte Arbeitsleistung erhalten würde. Bei einem klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt, der jeden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf die Sonderzahlung ausschließt, fehlt es jedenfalls an einer versprochenen Leistung i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt verhindert die Entstehung eines Anspruchs auf eine Leistung für künftige Bezugszeiträume. Die in den vorangegangen Jahren geleisteten Sonderzahlungen hatte die Arbeitgeberin jeweils mit einem ausdrücklichen Freiwilligkeitsvorbehalt verbunden. Die Sonderzahlungen waren auch nicht Teil der von den Parteien vereinbarten Arbeitsvergütung. Der Arbeitnehmer konnte also nicht darauf vertrauen, er werde für seine Arbeitsleistung nach Abschluss des Geschäftsjahres noch eine zusätzliche Zahlung erhalten. Hätte die Arbeitgeberin sich entschieden, dem Arbeitnehmer für das Geschäftsjahr 2010 keine Sonderzahlung zu erbringen, hätte der Arbeitnehmer dies hinnehmen müssen. Mit dem Angebot, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers in einem bestimmten Bezugszeitraum zusätzlich zu vergüten, verstößt der Arbeitgeber gegen keine Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag. Dieser verbietet es dem Arbeitgeber nicht, dem Arbeitnehmer Sonderzahlungen anzubieten. Der Arbeitnehmer wird in aller Regel das Angebot des Arbeitgebers gemäß § 151 Satz 1 BGB annehmen, er muss es aber nicht. Von daher verstößt es nicht gegen den Grundgedanken des § 611 BGB, dass die Arbeitgeberin die von ihr freiwillig erbrachte Sonderzahlung mit einer hinsichtlich der zeitlichen Dauer angemessenen Bindungsklausel verbunden hat.

Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 6. März 2013 – 3 Sa 73/12


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